Rösselsquelle bei Ludwigswinkel

Die Rösselsquelle bei Ludwigswinkel ist eine versteckt gelegene, stark fließende Quelle mitten im Wald. Früher versorgte sie den ganzen Ort mit Trinkwasser. Heute speist sie noch die zahlreichen  Brunnen im Dorf.
 

Geodaten:

N 49° 4,053´            O 7° 38,757´              Höhe: 272 m



Die Quellgeister der Rösselsquelle

(Überarbeitet 2018)

Die Rösselsquelle liegt an einer verträumten Lichtung mitten im Wald. Hohe Bäume umsäumen eine sumpfige Wiese. Im Sommer leuchten hier fröhlich-bunte Blumen. Schmetterlinge gaukeln. Heupferdchen hüpfen. Es surrt und zwitschert. Der Zauber des Ortes ist fast mit Händen zu greifen. Nur ein wenig still müssen wir sein und uns dann leise, ganz leise zum Wasser hinschleichen...

Denn im starken Strahl der Quelle tummeln sich an sonnigen Tagen klitzekleine Quellgeister. Sie glänzen und glitzern und flitzen mit den Wasserspritzern um die Wette. Wie auf einer Rutsche flutschen sie auf dem großen Wasserstrahl ins Becken hinunter und tauchen tief ein. Dann halten sie sich an einer Luftblase fest und kommen wieder empor. Dabei kichern und gurgeln sie und quietschen und piepsen, dass man es weithin hören kann. Die Erwachsenen aber hören – beschränkt, wie sie sind - nur das Plätschern einer Quelle. 

Kein Wunder. Denn normalerweise bleiben die übermütigen Quellgeistchen den Augen der Menschen verborgen. Sie bewegen sich viel zu flink, um richtig gesehen werden zu können. Aber wenn sich jemand Zeit nimmt und lauscht und schaut, hört er ihre feinen Stimmchen. Und wenn er die winzigen Wesen dann wirklich entdeckt, darf er sie auf keinen Fall direkt anschauen, sondern nur seitlich aus den Augenwinkeln heraus. Denn nur so kann er erkennen, wie sie blitzschnell hin und her flitzen und spritzen und ihre übermütigen Späße treiben. Schaut jemand aber direkt hin, verschwinden sie sofort. Nur das Glitzern des Wassers bleibt.



Die Quellnymphe 

An der starken und sauberen Rösselsquelle leben auch noch andere Naturgeister, z.B. Sumpfzwerge und Waldschrate. Aber keines dieser merkwürdigen Wesen ist für die Quelle so wichtig wie die Quellnymphe. Sie ist der kluge und wachsame Schutzgeist, der diesen Ort bewacht. Die Quellnymphe ist eine wunderschöne und fast durchsichtige Frau. Sie ist in weiße Schleier gehüllt und hat silbernes, wie Wasser fließendes Haar. An kühlen Herbstabenden wehen ihre feinen Schleier aus weißer Spitze über die Wiese. Wenn die Quellnymphe dann über den Gräsern schwebt und sich zur Musik des Wassers dreht, weht ihr weißes Schleierkleid hin und her und her und hin. Man könnte diese zarten Schleier glatt für Nebel halten. Aber gibt es etwa Nebel, der zur Wassermusik tanzt? 

Ein vorbeikommender Wanderer bleibt dann stehen und staunt über die zarten Schleier, die dort bei der Quelle wabern. Ist das nun Nebel oder ein Gespenst? So ganz geheuer ist es ihm jedenfalls nicht. Tief drinnen fröstelt es ihn. Er zieht den Kragen hoch und geht schnell weiter. Man weiß ja nie… 

Dabei ist die Quellnymphe Menschen durchaus wohl gesonnen. Nur ein wenig ernst und nachdenklich ist sie. Kein Wunder, denn sie ja hat auch große Verantwortung. Sie muss dafür sorgen, dass das Quellwasser rein und klar aus den Tiefen des Waldbodens aufsteigen kann. Anschließend achtet sie darauf, dass es sauber bleibt und somit bekömmlich für Mensch und Tier ist.

Im letzten Jahr machte eine Familie einen Ausflug zur Rösselsquelle. Es war ein heißer Tag, und alle hatten Durst. Begeistert drängelten die beiden Kinder die Treppen zum Sandsteintrog hinunter und hielten ihre Hände in den mächtigen Wasserstrahl. Der größere Junge stand vorn. Er formte mit seinen Händen eine Schüssel und trank: Hm, wie köstlich das frische Wasser schmeckte!

Jetzt war das kleinere Mädchen dran. Aber mit seinen kurzen Ärmchen musste es sich weiter vorbeugen und bekam plötzlich Übergewicht. Ein Schrei - und schon rutschte sein Fuß auf dem nassen, moosigen Beckenrand aus, und das Kind drohte, ins eiskalte Wasser zu stürzen! Der Bruder versuchte noch verzweifelt, seine Schwester zu halten. Doch vergebens. Starr vor Schrecken schauten die Eltern von oben zu. Sie standen einfach zu weit weg, um helfen zu können.

In dieser Not griff die Quellnymphe ein. Fast unsichtbar fing sie das Mädchen auf und hob es über den Wassertrog. Für die anderen sah es so aus, als machte die Kleine ganz plötzlich einen Riesenhopser bis zum anderen Beckenrand hinüber. Dort landete sie sicher auf der nassen und glitschigen Kante und sprang weiter auf die Wiese. Gerettet! Wieso ihr Fuß nicht abgerutscht und sie doch noch ins Wasser gefallen war, konnte niemand begreifen! Solch ein Kunststück hätten selbst Leute vom Zirkus nicht geschafft!

Die Eltern und der Bruder standen wie versteinert. Dann brachen sie in lauten Jubel aus. Alle schrien und lachten durcheinander.
Nur die Quellnymphe lächelte still und zog sich zurück. 

Die Familie verbrachte einen wunderschönen Nachmittag an der Rösselsquelle. Die Eltern sonnten sich auf der Bank, und die Kinder spielten auf der Wiese und am Bächlein. Zum Abschluss gab es noch ein Picknick. Als es dann Zeit zum Aufbrechen war, sammelten alle die Abfälle ein und wollten gehen. Der Bub aber war übermütig geworden. Mit einer leeren Plastiktüte lief er schnell noch einmal zurück und warf sie in den Wassertrog der Quelle. Er wollte sehen, wie sie davon schwamm. Im selben Augenblick bekam er von hinten einen unsanften, kräftigen Stoß. Er konnte sich nicht halten und stürzte vornüber mitten ins eiskalte Wasser. Vor Schreck blieb ihm die Luft weg. Zu allem Unglück geriet er noch unter den starken Strahl der Quelle. „Hi-Hi-Hi-Hilfe!“ schrie er erstickt. Da wurde er schon von seinem Vater herausgezogen. Tropfnass stand er da und schlotterte. War das eine Nässe und Kälte! Und wie seine Eltern schimpften! Ihre erregten Stimmen hallten im Wald wider. „Dieser dumme Bengel! Schnell, schnell zum Auto und nach Hause! Sonst wird er uns noch krank!“ 

Vor lauter Aufregung hatte niemand bemerkt, dass auf der anderen Seite der Quelle eine weiße Frau stand. Stirnrunzelnd hielt sie eine tropfende Plastiktüte in der Hand. Sie schaute ärgerlich zu dem Buben herüber. Aber als sie ihn so tropfen und schlottern sah, musste sie doch ein bisschen lächeln.