Zwischen Fischbach und Ludwigswinkel

 

In einem einsamen Waldtal zwischen Fischbach und Ludwigswinkel liegt ein zauberhafter See, der Pfälzer Woog.


Geodaten

N  49° 4,809´      O 7°  41,575´       Höhe: 237 m



Die Banngeister im Pfälzer Woog                                      
 
Heute ist der Pfälzer Woog mitten im stillen Wald ein friedlicher, wohltuender Ort. Aber das war nicht immer so.

Die Menschen früher fanden die riesigen, einsamen Wälder weder schön noch friedlich, sondern nur dunkel und bedrohlich. Oft trieben sich darin Räuber und Tagediebe herum. Oder sogar Geister und Gnome?  

Viel schlimmer aber war, dass man aus Wald nur mühsam Weideland gewinnen konnte. Die Bäume mussten abgehackt, die Wurzeln ausgegraben und die Sträucher verbrannt werden. War das alles endlich geschafft, so wuchs dort doch nur mageres Wiesengras, das nur wenige Kühe ernährte.  Die Leute wussten kaum, wie sie ihre Familien satt bekommen sollten.

Eines Tages kam jemand auf die Idee, in dem sumpfigen Waldtal zwischen Fischbach und Ludwigswinkel einen See aufzustauen. Bisher war dort nur unfruchtbares, mooriges Land. In einem See aber könnte man Fische züchten. Die Familien hätten mehr zu essen und könnten vielleicht sogar einen Teil verkaufen!

In mühseliger Arbeit schütteten alle nach und nach einen Damm auf. Damals gab es noch keine Bagger, und jedes bisschen Erde musste mit der Schaufel bewegt werden. Natürlich halfen auch die Kinder mit.  Freie Zeit zum Spielen gab es nicht. Endlich, nach viel Anstrengung und Schweiß, war der Damm fertig. Ganz langsam füllte sich die Talmulde dahinter mit Wasser. Im nächsten Jahr war schon ein kleiner See entstanden und im Jahr darauf der heutige Pfälzer Woog. Wie erhofft, fühlten sich die Forellen in dem sauberen  Wasser wohl und vermehrten sich. Sogar andere Fischsorten gediehen.   

 


Die Leute freuten sich schon sehr auf ihre erste reiche Fischernte. Doch sie ahnten nicht, dass in diesem einsamen Tal böse Windgeister wohnten, die den Menschen nichts Gutes gönnten. In stürmischen Neumondnächten brausten die Geister mit dem Wind über den See, tauchten ein und wühlten mit ihren langen Armen das Wasser auf. In der trüben Brühe erkrankten die Forellen und gingen ein. Der größte Teil der Fischernte war verdorben und die Enttäuschung der Familien grenzenlos. Wie viel Mühe und Arbeit hatten sie auf sich genommen, und nun war alles umsonst gewesen! Aber dann ließen sie sich doch nicht ganz entmutigen und hofften auf das nächste Jahr.

Vergebens. Auch in diesem Jahr lief alles schief. Die Holzboote der Fischer bekamen aus unerklärlichen Gründen Löcher und sanken. Die Netze und Angeln zerrissen.  Schließlich tauchten sogar Hechte im See auf und fraßen die Forellen. Woher sie kamen, konnte sich keiner erklären. Wieder war die Ernte verdorben und das Unglück groß.



Im dritten Jahr tobte gleich im Frühjahr ein wüster Sturm durch das Tal. Der Wind war so stark, dass er hohe Wellen aufwarf und die Fische ans Ufer schleuderte. Schließlich wurde sogar der Damm undicht, und das aufgestaute Wasser drohte abzulaufen. Zum Glück im Unglück sah dies ein Holzfäller und rannte, so schnell er konnte, zum Dorf.  Merkwürdigerweise war hier von dem Unwetter nicht das Geringste zu spüren. Doch die Dorfbewohner packten sofort  ihre Schaufeln, Spaten und Eimer und liefen los, um ihren See zu retten.   

 


Der Sturm tobte ungebrochen in dem einsamen Tal. Wie unheimlich das war, wo doch noch vor ein paar hundert Metern die Sonne schien! Hier pfiff schauerlich der Wind und riss heulend an den Bäumen. Und über dem See ertönte ein lautes Klagen und Jaulen wie aus vielen Geisterkehlen. Es war zum Fürchten! Aber trotz ihrer Angst schaufelten die Leute fieberhaft Erde in das Loch im Damm. Ihr Fischteich musste doch gerettet werden! 

Plötzlich deutete einer der Männer schreckensbleich auf eine Kiefer am Ufer. Da sahen sie es: Dunkle Arme kamen aus dem Wasser hervor, viele dunkle, sich windende und dehnende Arme! Sie griffen in die Luft, wurden länger und länger und reckten sich bis zur Krone einer Kiefer hinauf. Dort krallten sie sich mit ihren Klauen fest und zogen den Baum zum Wasser herab. Dazu ertönte ein ohrenbetäubendes Sausen und Jaulen. Es fauchte und lachte, platschte und klatschte. Den Baum durchlief ein Zittern. Er knirschte und wurde immer weiter zum Wasser heruntergezogen.



Dem Mann graute. Entsetzt wendete er sich ab und alle anderen mit ihm. Gerade wollten alle in Panik davon laufen. Da sahen sie, dass die junge Kati trotz allem stehen blieb und verzweifelt zu den Ungeheuern hinüberschaute. Auch ihre Haare wurden vom Geistersturm fast ausgerissen. Und auch ihr fielen vor Angst die Augen fast aus dem Kopf. Aber sie blieb stehen und heftete ihren Blick fest auf diese unheimlichen zerrenden, dunklen Arme. Sie griff in ihre Tasche und holte ihren Rosenkranz heraus. Den hielt sie den Geisterarmen entgegen und rief mit zitternder Stimme: „Mit Hilfe der Muttergottes verbanne ich euch Ungeheuer in die Tiefen des Sees!“ Da heulte es im Wasser laut auf, die Geisterklauen ließen den Baum los und versanken in der Tiefe. Doch nun erklangen schreckliche, weinende Geräusche. Der ganze See war erfüllt von jämmerlichem Klagen und flehendlichem Bitten! Was für ein Herz zerreißendes Geheule! Nun bekam die Kati mit diesen elenden Ungeheuern doch noch Mitleid. Es waren zwar böse Geister, aber zu schlimm sollten sie auch wieder nicht bestraft werden! Also fügte sie noch hinzu: „Nur in stürmischen, mondlosen Nächten dürft ihr wieder empor kommen. Doch den See dürft ihr nicht mehr verlassen und niemals mehr Unheil anrichten!“

Der Bannspruch tat seine Wirkung. Die Geisterstimmen wurden leiser, und das Jammern verstummte. Der Sturm legte sich, und Frieden kehrte ein. 

Dieser Frieden hielt über die Zeiten hinweg. Heute kommen die Banngeister aus dem Pfälzer Woog nur noch in dunklen, mondlosen Nächten empor. Wenn dann nachts der Sturm über den See peitscht, ertönt  ihr lautes Fauchen und Lachen. Dann wachsen wieder ihre unheimlichen Arme aus dem Wasser heraus. Sie werden länger und länger und greifen nach einem Baum am Ufer. Den zerren und zausen sie, bis er sich neigt und fast ins Wasser kippt. Aber so sehr sie auch versuchen, sich an  dem Baum aus dem See herauszuhangeln, schaffen sie es nie. Denn kurz bevor die Baumkrone ins Wasser eintaucht, wirkt wieder der alte Bannspruch, und die Geister müssen erneut versinken. Der Baum aber bleibt stehen. Er hängt nun zwischen Himmel und Erde und ist auch im schönsten Sonnenschein für jedermann gut zu sehen. Aber an seinen herunter gezerrten Zweigen kann man genau erkennen, wie sehr die Banngeister daran gezogen und gerüttelt haben.