Regenmännchen


Regenmännchen sind klein, nur so groß wie Häschen. Sie haben eine glatte Haut und dicke Bäuchlein und sind nackig. Nackig? Ja, tatsächlich, sie sind immer nackig. Nur auf dem Kopf haben sie wuschelige Haare und die Männer einen Bart. Das klingt komisch, denn alle anderen Zwerge haben immer Zipfelmützen und warme Kleider an. Aber Regenmännchen lieben das Wasser. Je mehr Regen von oben kommt und je mehr Wasser in die Pfützen platscht und alles überläuft, umso lieber toben sie draußen in der Nässe herum.

Sie springen, plantschen und spritzen, dass man meinen könnte, vor Regen ginge die Welt unter. Sie können sich das leisten, denn bei strömendem Regen geht kein Mensch spazieren, schon gar kein Kind.

Nur manchmal läuft jemand mit seinem Hund durch die Gegend. Der reibt sich dann die Augen und glaubt nicht, was er sieht: Da toben kleine, nackte Zwerge in den Pfützen und Bächen herum und quietschen vor Vergnügen. Er holt sein Handy aus der Tasche und macht schnell ein paar Bilder. Doch wenn er sie zu Hause anschaut, sieht er nichts als Pfützen, Regen und Nässe. Regenmännchen sind nämlich unsichtbar. Eigentlich. Es gibt aber Ausnahmen. Wenn sie besonders wild herumtoben, achten sie manchmal nicht darauf, unsichtbar zu sein, und dann werden sie von Menschen gesehen.

 

 


Im Winter 2021 regnete es im Sauertal tagelang am Stück. Überall auf den Wegen entstanden riesige Pfützen. Die Bäche schwollen an und liefen über. Von oben tratschte es weiter. So viel Regen auf einmal war für alle Tiere und Menschen ein Graus. Nur die Regenmännchen waren entzückt und plantschten herum. Als der Regen jedoch immer weiter anhielt, fingen sie an, sich zu langweilen. „Hey, wisst ihr was, ich habe eine Idee!“ meinte schließlich der knubbelige Knuth. „Kennt ihr in Dahn den Wasserfall?“ Sofort waren alle begeistert und machten sich auf den Weg. 

 


Der Wasserfall in Dahn ist eher eine Wasserrutsche. Der Bach stürzt nicht frei von oben herunter, sondern rutscht plätschernd über eine Schräge in die Tiefe. Aber gerade das war das Gute. „Hurra, hurra, das ist eine Super-Rutsche!“ quietschten alle, Sie setzten sich auf ihren Po und rutschten wieder und wieder hinunter. So ging das eine ganze Weile, bis alle genug hatten. Müde und mit rot gerutschten Hinterteilen machten sie sich auf den Heimweg.

 

Noch lange erzählten die Regenmännchen von ihrem Abenteuer auf der Wasserrutsche. Und da sie dankbare kleine Zwerge sind, wollen sie seitdem auch den Menschen eine Freude machen. So verwandeln sie sich manchmal und krabbeln bei Regen als Feuersalamander hervor. Dann sind sie zwar gelb und schwarz gefleckt, doch das ist nur Tarnung. Ihre glatte Haut und ihre prallen Bäuchlein sieht man trotzdem.

 

Dieses Bild ist nicht von mir. Ich habe aber die Erlaubnis, es zu benutzen.


Die Leute bleiben dann stehen, freuen sich und rufen: „Guckt mal, ein Feuersalamander!“ Manche aber benutzen den alten Ausdruck und rufen: „Oh, ein Regenmännchen! Wie schön, ich habe schon so lange kein Regenmännchen mehr gesehen!“